surreales

Mittwoch, 19. März 2008

konvertiten


Ich glaube, der Hausbewohner schräg über mir ist Buddhist geworden. Man hört tagtäglich Gebetsmühlengeklapper, vermischt mit Zimbel-Einlagen, diverse andere sphärische Klänge und eine Menge Ommmms. Sicherlich wird er mir bald mit heiter entrücktem Gesichtsausdruck und in ein oranges Bettlaken geschlungen im Treppenhaus begegnen.

Für ihn – der Weg zur Erleuchtung. Für mich – der Weg zur gestörten Nachtruhe. Buddhisten haben zwar keine festgelegten Gebetszeiten, es ist aber wohl üblich, vor dem Verlassen des Hauses zu meditieren (was obige Geräusche mit einbezieht), und da er die Bürozeiten eines Bäckers hat, läuft dies meinem Schlafrhythmus entgegen.

Vielleicht ist er ein weiteres Opfer der globalen Wirtschaftskrise. Vom Äußeren her wirkt er ja wie ein Heilpraktiker / Club DJ (wobei nicht sicher ist, welches als Nebenjob zählt, aber eine interessante Kombination, nicht?), dies könnte allerdings nur Tarnung sein, um nicht gleich als Day Trader oder Private-Equity-Gesellschafter erkannt zu werden. Vielleicht sind Zimbeln der einzige Weg, um mit den Anforderungen einer rund-um-die-Uhr-erreichbar-Gesellschaft fertig zu werden.

Das Leben der Anderen. Immer wieder spannend.

Mittwoch, 05. März 2008

generationentreffen


Seit kurzem weiß ich, dass meine Großmutter nicht mehr lange zu leben hat. Sie ist ein wundervoller Mensch, und eine meiner schönsten Erinnerungen habe ich aufgeschrieben.

Meistens sprechen alte Leute über langweilige Dinge, die nur andere alte Leute interessieren. Sie beschreiben wortreich, wie groß ihre Nierensteine sind, zeigen auch gerne mal Operationsnarben, oder können endlos über die fünftägige Wettervorhersage reden, oder sogar die Vorzüge von Marken- im Gegensatz zu Discounterinkontinenzwindeln diskutieren.

Die Geschichten meiner Großmutter sind da anders.

Letzten Sonntag, beim Mittagessen anlässlich der Taufe meines neuen Neffen, während sie sich mit ihren Stäbchen gerade eine weitere Nem Ninh Hoag von der Vorspeisenplatte fischte, erzählte sie mir, dass ihre Vogelspinne, das Honigblümle, gestorben sei.

"Sie wurde immer lethargischer, und ich wusste nicht warum. Neulich lag sie dann zu einem Haarbällchen zusammengerollt im Terrarium, tot." Sie seufzte.

"Also rief ich in der Zoohandlung an, um herauszufinden, woran es ihr gefehlt haben könnte. Ich sagte ihnen, dass ich das Terrarium immer schön mit Wasser einnebelte, und dass ich jeden Tag drei oder vier Grashüpfer reinsetzte, damit das Honigblümle genug Nahrung in Reichweite hat und nicht hungert. Ich wollte nicht, dass sie sich um die nächste Mahlzeit sorgen musste." Sie tunkte ihre Rolle in Chilisoße und erzählte weiter.

"Aber der Mann von der Zoohandlung sagte, das wäre zwar gut gemeint, aber vollkommen falsch gewesen. Man soll nur ein oder zwei Heuschrecken pro Woche füttern, mehr als das würden zuviel Hektik verbreiten, weil mindestens eine immer auf der Flucht vor dem Feind in nächster Nähe ist, und das hätte das Honigblümle ganz schön gestresst.“

Meine Mutter unterdückte ein Grinsen. Sie wandte sich zu mir und sagte, "Im Grunde hat sie das Honigblümle mit einem Nervenzusammenbruch erledigt. Die ständig rumhüpfenden Heuschrecken haben das arme Tier so kirre gemacht, dass sie sich einfach zusammenrollte und starb."

Der Patenonkel meines Neffen und seine angetraute Ehefrau, beides langjährige Freunde meines Bruders, die neben uns saßen, folgten dem Gespräch mit immer größer werdenden Augen.

"Ich hatte nicht vor, sie umzubringen." verteidigte sich meine Großmutter. "Ich wusste es nicht besser. Ich glaube, wir werden ein neues Honigblümle finden müssen." Sie zuckte mit den Achseln.

Ich plinkerte ein paar Mal mit den Augen, als sie die Geschichte beendet hatte, unsicher, was ich dazu sagen sollte. Dann fing ich an zu lachen.

Meine Großmutter auch.

Dafür lieb ich sie.

Dienstag, 04. März 2008

frau s. geht über die cebit


Wohl nur sehr wenige der wegen den vorgestellten Technologien angereisten Besucher bekamen Frau S. auf ihrem Messerundgang zu sehen. Das ist immer so, wenn sich der Tross aus Personen öffentlichen Interesses und Medienleuten durch die Gänge schiebt; Normalbürger können sich nur schwer vorstellen, dass solch dichtgedrängte Meuten von Menschen noch lauffähig sind. Wahrscheinlich ist das ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung von Fotografen und Kamerapersonen, unfallfrei draufhalten. So ein Event soll ja vor allem Bilder produzieren und Signale setzen - dafür tut sich eine Dame der Gesellschaft diese seltsame Tortur schon einmal an.

Folglich nutzten Frau S. und die Medien die Gelegenheit nach Kräften. Satte 127 ausgesuchte Porträts offerierten die Agenturen in den ersten zwei Stunden nach Beginn des Rundgangs. Und Frau S. diktierte den Journalisten vor Ort ein Feuerwerk geistreicher wie auch merklich spontaner Äußerungen in den Block:

"Ist es noch weit?"
"Können Sie mir mal erklären, wie das Ding hier funktioniert? Andersrumhalten? Ach so."
"Schick. Gibt’s das auch in Pink?"

Donnerstag, 21. Februar 2008

wie heißt das reh?


Frage: Ist es schlau, mitten in der Woche Auszugehen und bis in die frühen Morgenstunden zu feiern, auch wenn man am nächsten Tag zur üblichen frühen Stunde wieder im Büro sitzen muss?

Antwort: Nicht wirklich.

Frage: Ist es möglich, Kartoffelbrei mit Schokoladenmilch anstelle normaler Milch anzurühren?

Antwort: Möglich ist es schon, es ist aber nicht unbedingt eine gute Idee, da das Ergebnis eine sehr ungesunde braune Farbe entwickelt, die vom Verzehr abbringt.

Frage: Warum macht jemand morgens um vier noch Kartoffelbrei mit Fischstäbchen?

Antwort: Nun, dieser jemand war hungrig und mitten im Gang eines 24-Stunden-Supermarktes, der Instantkartoffelbrei und Fischstäbchen innerhalb weniger Meter Umkreis voneinander platziert, hörte es sich nach einem guten Plan an.

Donnerstag, 27. Dezember 2007

fnupfn


Manch eine Tradition würde ich gerne still und heimlich in ein Paralleluniversum verschwinden lassen. Die dazu nötige Wurmlochtechnologie wurde von den Alten zwar in mein Unterbewußtsein eingepflanzt, aber ebendieses Unterbewußtsein mit seinen kleinen Eigenheiten zickt lieber herum, als der Menschheit ein großes Geschenk in die Hände zu legen. Das hört sich so an: Ich weiß etwas, was Du nicht weißt, ätsch!Ich hab ein Geheimnis, und das verrat ich nicht! Tidelditideldi...

Hier ist sie also, die traditionelle Weihnachtserkältung, mit Fieber, Ohrenschmerzen und allem, und ich fange so langsam an zu halluzinieren.

Freitag, 14. Dezember 2007

wunsch und wirklichkeit

Ich behaupte gerne, dass ich der Welt etwas Aufschlussreiches mitzuteilen habe, und die Welt hört zu. Traurigerweise ist es meistens unwahr.

Ich hatte heute einen anspruchsvollen Tag bei der Arbeit. Ich habe viel weggeschafft. Aber niemand will wirklich hören, was ich im Büro mache, und die vielen kleinen schmutzigen Geheimnisse darf ich sowieso nicht verraten.

Also rede ich über das Mittagessen. Ich denke, Essen ist eines der essentiellen Themen der Menschheitsgeschichte. Die Beschäftigung mit diesem Stoff, aus dem wir alle unser Sein ziehen, reiht sich ein in die grundlegenden Fragen der Philosophie: Wo komm ich her? Wo geh ich hin? Wo bekomme ich das beste Wiener Schnitzel?


Um die dritte Frage als erstes zu beantworten: auf keinen Fall in unserer Kantine. Und auch sonst ist ein einigermaßen genießbares Gericht so wahrscheinlich wie eine Haiattacke an der texanischen Golfküste. Heutiges Beispiel: Käsespätzle mit Gemüsestreifen, dazu grüner Salat mit Joghurtdressing.
Die gallertartige Masse auf meinem Teller besteht aus: 90% Käse, 10% Spätzle und 0% Gemüse. Den Salat würde mein Kaninchen zur Polsterung seiner Schlafhöhle verwenden und mit fragenden Augen auf das richtige Futter warten.

Kein Wunder, dass ich alle Bringdienste der Stadt in meinen Bookmarks habe.

Donnerstag, 13. Dezember 2007

abendunterhaltung


Frau M: Welchen Film guckt ihr?

Frau S: Magnolien aus Stahl.

Frau M: Und worüber lacht Tina?

Frau S: Im Büro hat ihr wohl jemand einen Witz erzählt.

Montag, 15. Oktober 2007

die aussichten


Trend
Ein reinigendes Gewitter wäre mal wieder notwendig. Zu Beginn der Woche haben Sie das Gefühl, sich Luft machen zu müssen. Jetzt sollten Ihre Freunde in Deckung gehen. Kurz, aber spektakulär klären Sie, was gestört hat. Herzensdinge spielen in dieser Woche eine untergeordnete Rolle.

Erotik
Mars macht Sie gefährlich. Ein bisschen Kratzen und Beißen hat natürlich noch nicht viel zu bedeuten. Doch es kann schnell mal umkippen, wenn sich ein Mann traut, ähnlich zu reagieren. Lassen Sie nichts eskalieren, nur weil Sie jetzt das Spiel mit dem Feuer favorisieren.

Flirt
Selbstbewusst steppen Sie übers gesellschaftliche Parkett, gewinnen als bezaubernde Gesprächspartnerin neue Fans. Es ist wirklich toll, wie interessant Ihre neuen Bekanntschaften sind. Ein Mann, der Sie schon länger bewundert, könnte Ihnen heute anbieten, Sie zu trösten. Lassen Sie sich aber nicht auf mehr ein. Sie könnten sich sonst in einer Situation wieder finden, die Sie nicht wollen und die gefährlich ist.

Oje, zweimal gefährlich an einem Tag. Aber solange ich kein Mars esse, kann mir ja nichts passieren.

Mittwoch, 10. Oktober 2007

you will miss me when i'm gone


Auf der Rückfahrt nach Salzburg stieg bei Straßwalchen eine junge Frau in den Zug und besetzte den Platz neben mir, eine SMS schreibend, ihren Blick starr auf ihr Mobiltelefon gerichtet.

Das wilde Tickern ihrer Fingernägel ließ mich von meinem Buch aufschauen. Der kürzlich dahingeschiedene (oder doch nicht?) Romanheld führte mich gerade auf die verschlungenen Pfade der Familiengenetik, die ihn einen Hermaphroditen werden ließen, die Geschichte erforderte mehr Konzentration als ich bei den Nebengeräuschen aufbringen konnte.

"Du wirst mich vermissen, wenn ich nicht mehr da bin..." begann die Nachricht. Ich schämte mich ein bisschen dafür, dass ich mitlas, konnte meine Neugier aber nicht abstellen.

"...aber ich kann Dich ja verstehen,"
[wieder gelöscht, stattdessen...]

"...außerdem bist Du ein Arsch,"
[wieder gelöscht, stattdessen...]

"...ruf mich an, wenn Du’s Dir anders überlegst..."
[wieder gelöscht, stattdessen...]

"...mir geht's besser ohne Dich,"
[wieder gelöscht...]

Davon gab es ungefähr zehn verschiedene Abwandlungen.

Und bei der siebten (plusminus eins) entfuhr ihr ein Wind.

Freitag, 28. September 2007

pläne für freitagabend


"Na? Quietschvergnügt in den Freitagabend?"

"Mmm. Ohne eine gewisse Quietschvergnügtheit geh ich doch nicht in den Freitagabend. Und du?"

"Ich? Nö, ich bin nicht sehr quietschvergnügt. Ich bin so knarredepressiv, daß ich seit heute sogar aus den Ohren heule."

"Ach so. Dann bist du wohl kein geeigneter Partner für einen quietschvergnügten Freitagabend."

"Nö."

"Na dann, servus."

"Servus."

der norden

Die norddeutsche Tiefebene mag vielen auswärts lebenden Zeitgenossen flach und einförmig erscheinen, die in diesem Landstrich siedelnden Menschen wortkarg und verfressen. Doch der erste Eindruck täuscht gewaltig: Mitten in die Provinz schmiegt sich die schönste Stadt der Welt. Ihre Bewohner sind einerseits Bauern und Pendler, andererseits Graugänse und (kurz vor dem Aussterben) Husumer Protestschweine.

unterwegs

21.08.-21.08.09 - Köln 04.09.-08.09.09 - Berlin

neulich

lots of work to register...
lots of work to register but i did it ;) Can you contact...
desiree - vosgesparis - 25. Nov, 16:48
prima...
dann bist du am letzten Augustwochenende ganz in meiner...
ladypixel - 20. Aug, 09:04
lebe wild und gefaehrlich
Und noch eine Sache, die in die Rubrik "wir überwinden...
alpinweiss - 19. Aug, 15:33
phasenweise
Daß in meinem Leben gerade ein neuer Abschnitt begonnen...
alpinweiss - 19. Aug, 15:17
liebe.drama.wahnsinn.
Ein Fest war das gestern, ein Fest! © Bongarts/Getty...
alpinweiss - 18. Aug, 14:01
Im materiellen Sinne...
Im materiellen Sinne hat es sich schon gelohnt, es...
alpinweiss - 14. Aug, 10:01
die spinnen, die chinesen
Tätowierte Fische werden zum Verkaufsschlager in China Wie...
alpinweiss - 14. Aug, 09:48
von 1 hatte ich ja schon...
von 1 hatte ich ja schon gehört, aber 2... hoppla!...
ladypixel - 13. Aug, 09:35

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